Nach den neuesten Berichten der WHO scheint uns die Adipositas-Epidemie wie ein unerbittlicher Sturm, der unsere Gesundheitslandschaft verwüstet. Fast die Hälfte der Erwachsenen in der Europäischen Region sind von Übergewicht betroffen, und beinahe jedes dritte Kind leidet an Adipositas. Diese Zahlen sind alarmierend genug, aber die Konsequenzen reichen noch weiter. Adipositas ist nicht nur eine Zahl auf der Waage – sie ist ein Risikofaktor für eine Vielzahl schwerwiegender Erkrankungen, darunter Herzerkrankungen, Diabetes Typ 2, Osteoporose, Krebs und Atemwegserkrankungen.
Der persönliche Leidensdruck treibt viele Betroffene dazu, nach Lösungen zu suchen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Doch in dieser Suche stehen sie vor einer wahren Flut von Diäten und Ernährungsformen. Zwei der bekanntesten sind die kohlenhydratarme (low carb) und die fettarme (low fat) Diät. Die Wissenschaft hat sich intensiv mit beiden beschäftigt, doch welche ist effektiver?
Bevor wir uns in die Feinheiten der Diäten stürzen, müssen wir uns vor Augen führen, dass die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion eine negative Energiebilanz ist. Mit anderen Worten: Wir müssen weniger Kalorien zu uns nehmen, als wir verbrauchen. Doch diese Gleichung ist nicht so einfach, wie sie klingt. Faktoren wie Bewegung, Stoffwechsel, Schlafmuster, Stress, Mikronährstoffversorgung und genetische Veranlagungen spielen eine Rolle.
Um langfristig erfolgreich abzunehmen, sollten wir uns nicht auf radikale Crash-Diäten verlassen, sondern auf eine ausgewogene Ernährungsumstellung, regelmäßige Bewegung und Entspannungstechniken setzen. Denn schnelle Gewichtsverluste von 10% können dazu führen, dass unser Körper in den Überlebensmodus schaltet und jede zusätzliche Kalorie in Form von Fett speichert – ein Phänomen, das uns als Jo-Jo-Effekt bekannt ist und langfristiges Gewichtsmanagement erschwert.
Nun zu den Diäten selbst: Die kohlenhydratarme Diät hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erregt. Von strengen ketogenen Diäten bis hin zu weniger radikalen Ansätzen wie der Logi-Methode oder der Paleo-Ernährung gibt es viele Varianten. Strenge kohlenhydratreduzierte Diätformen zielen darauf ab, den Körper in einen ketogenen Zustand zu versetzen, indem er Fett als Hauptenergiequelle nutzt, anstatt Kohlenhydrate zu verbrennen. Dieser Wechsel birgt Herausforderungen wie die „Keto-Grippe“ und erfordert Disziplin und Anpassungsfähigkeit. Belohnt werden wir oft mit mehr Energie, einem stabilerem Immunsystem, weniger Heisshungerattacken und einem klarem Kopf. So mancher Alzheimer, Epilepsie, MS, chronische Entzündungen, Heuschnupfen und natürlich Diabetes profitiert stark von einer ketogenen Stoffwechsellage und von der Umstellung von dem Zucker- in den Fettstoffwechsel. Gerade im Bereich der Onkologie gibt es immer mehr Forschungsberichte, wie wir mit einer ketogenen Ernährung die Entwicklung von Tumorgewebe beeinflussen können.
Auf der anderen Seite haben wir die fettarme Diät, die darauf abzielt, die Aufnahme von Fetten zu reduzieren, während der Anteil an Kohlenhydraten erhöht wird. Mit 9 kcal pro Gramm Fett liegt die fettarme Diät klar im Vorteil (Kohlenhydrate und Proteine speichern nur 4 kcal pro Gramm). Damit erreichen wir bei der fettreduzierten Diät ein größeres kalorisches Defizit. Außerdem ist sie reich an Obst, Gemüse und Vollkornprodukten und kann leichter in den Alltag integriert werden – auch dank der breiten Paletten an low-fat Produkten in den Supermärkten. Die angeblichen positiven Auswirkungen von fettreduzierter Ernährung auf unser Herz-Kreislauf-System werden allerdings schon lange kontrovers diskutiert. Zu groß waren die Interessen an ‚positiven‘ Studien für die gesamte ‚low-fat‘ Nahrungsmittelindustrie. Hinter jeder großen Studie steht eine Industrie mit wirtschaftlichen Interessen… Fakt ist, dass Fett nicht gleich Fett ist. Transfettsäuren aus gebratenen und fritierten Speisen sollten wir generell meiden. Kalt gepresste pflanzliche Öle hingegegen haben jede Menge positive Wirkungen auf unsere Gesundheit. Täglich 4 Gramm Omega 3 wirkt zum Beispiel schützend auf unser Gefäßsystem und senkt den Cholesterinspiegel.
Doch mit welcher der beiden Diäten lässt sich denn nun besser Gewicht reduzieren? Studien haben gezeigt, dass beide Diäten zu ähnlichen Ergebnissen führen können und es maßgeblich darauf ankommt, wie lange die jeweilige Diät durchgeführt wird. Während low Carb anfänglich zu einem größeren Gewichtsverlust führt als low fat, kann nach einem Jahr kein signifikanter Unterschied mehr festgestellt werden. Letztendlich ist die Auswahl der richtigen Diät, wie bei Ernährungsfragen generell, eine sehr individuelle Entscheidung und sollte neben dem Gewicht weitere gesundheitliche Komponenten berücksichtigen.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der langfristigen Einhaltung einer ausgewogenen Ernährung, regelmäßiger Bewegung und der Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen. Neben der richtigen Auswahlt an Lebensmitteln dürfen wir uns auch immer wieder unsere Essgewohnheiten bewusst machen: Warum esse ich, wie esse ich und wann esse ich? Essen ist oft so viel mehr als reine Energiebeschaffung. Wir kompensieren, wir verdrängen, wir belohnen uns, wir lenken uns ab, wir beschäftigen uns, wir entspannen uns, wir leben Traditionen – indem wir essen. Am Ende des Tages ist es nicht nur wichtig, Gewicht zu verlieren, sondern zurück zu unserer Intuition zu finden, gesund zu bleiben und uns wohl zu fühlen – egal ob low carb oder low fat.